George IV

Jubel allerorten über die Königin. Nie wurde das Adjektiv royal, das ich am ➱Mittwoch eigentlich eher ironisch verwendete, so strapaziert. Der Anfang des Besuchs war nicht gut, die uniformierten Angestellten des Luxushotels waren nicht in der Lage, die britische Flagge richtig herum aufzuziehen. Und dann noch dieses grässliche Geschenk. Is that supposed to be my father? fragte die Königin, definitely not amused. Sie sagte dann noch: that’s a funny colour for a horse. Wäre Gauck schlagfertig gewesen, hätte er der Königin gesagt, dass seit dem Blauen Reiter Pferde für Maler immer blau sind. Seien wir ehrlich, die kitschigsten Bilder in dem Post ➱Teckel & Corgwn sind schöner als das hier. Wir sollten uns aber einmal den Namen der Malerin merken: sie heißt Nicole Leidenfrost. Ich würde für keins ihrer ➱Bilder einen Euro ausgeben, doch ich nehme an, dass die Preise für ihre Bilder jetzt anziehen werden.

Bleiben wir noch einen Augenblick beim englischen Königshaus. Bei einem König namens George IV, der heute vor 185 Jahren starb. Und den die Engländer nicht so liebten, wie sie ihre jetzige Königin lieben. Die Kunstepoche des Regency (zu der es diesen schönen ➱Jane Austen Blog gibt) ist nach ihm benannt, das wird sicher bleiben. Ansonsten bleibt nicht so viel von Prinny. Außer dem Royal Pavilion in Brighton, der manche an Coleridges Xanadu erinnerte.

Er wäre so gerne ein Dandy gewesen wie sein Freund ➱Brummell, aber er kann für die Schneider ausgeben, was er will, er macht keine bella figura. Er ist zu fett, es fehlt ihm die sprezzatura, die nach Baldassare Castiglione den Dandy auszeichnet. Das Geld für die ➱Schneiderrechnungen bei seiner Krönung würde den griechischen Finanzminister heute glücklich machen. Glücklich über ihren fetten Prinny sind nur die bösen Journalisten, die the most infamous & shocking libellous production yt ever disgrac’d the pen of man liefern. Und natürlich Englands Karikaturisten. Was wären George Cruikshank und ➱James Gillray ohne ihn gewesen?

Der König liefert uns eine Vielzahl von Anekdoten, die aber meist nicht sehr schmeichelhaft sind. Meine Lieblingsgeschichte hat mit dem Besuch des Schlachtfelds von ➱Waterloo in Begleitung von Wellington zu tun. Da  erzählt er beim Abendessen, er habe – verkleidet als Generalmajor von Bock – in der King’s German Legion am Krieg in Spanien teilgenommen. Was that not so? brüllt er durch den Saal. Wellington antwortet höflich: I have often heard Your Majesty say so. Macht sich aber im Stillen seine Gedanken, ob der ➱Wahnsinn von George III jetzt auch seinen Sohn befallen hat. Ich liebe dieses Bild von ➱John Singleton Copley, das unseren George in der Pose eines Feldherrn zeigt. Unnötig zu sagen, dass dieser Feldmarschall nie im Felde war.

Der englische Schriftsteller William Makepeace Thackeray, dem wir den wunderbaren ➱Roman Vanity Fair verdanken, mochte ihn gar nicht. So schreibt er in The Four Georges:

To make a portrait of him at first seemed a matter of small difficulty. There is his coat, his star, his wig, his countenance simpering under it: with a slate and a piece of chalk, I could at this very desk perform a recognizable likeness of him. And yet after reading of him in scores of volumes, hunting him through old magazines and newspapers, having him here at a ball, there at a public dinner, there at races and so forth, you find you have nothing—nothing but a coat and wig and a mask smiling below it—nothing but a great simulacrum. His sire and grandsires were men. One knows what they were like: what they would do in given circumstances: that on occasion they fought and demeaned themselves like tough good soldiers. They had friends whom they liked according to their natures; enemies whom they hated fiercely; passions, and actions, and individualities of their own. The sailor king who came after George was a man: the Duke of York was a man, big, burly, loud, jolly, cursing, courageous.

But this George, what was he? I look through all his life, and recognize but a bow and a grin. I try and take him to pieces, and find silk stockings, padding, stays, a coat with frogs and a fur collar, a star and blue ribbon, a pocket-handkerchief prodigiously scented, one of Truefitt’s best nutty brown wigs reeking with oil, a set of teeth and a huge black stock, under-waistcoats, more under-waistcoats, and then nothing. I know of no sentiment that he ever distinctly uttered. Documents are published under his name, but people wrote them—private letters, but people spelt them. He put a great “George P.” or “George R.” at the bottom of the page and fancied he had written the paper: some bookseller’s clerk, some poor author, some man did the work; saw to the spelling, cleaned up the slovenly sentences, and gave the lax maudlin slipslop a sort of consistency.

He must have had an individuality: the dancing-master whom he emulated, nay, surpassed—the wig-maker who curled his toupee for him—the tailor who cut his coats, had that. But, about George, one can get at nothing actual. That outside, I am certain, is pad and tailor’s work; there may be something behind, but what? We cannot get at the character; no doubt never shall. Will men of the future have nothing better to do than to unswathe and interpret that royal old mummy? I own I once used to think it would be good sport to pursue him, fasten on him, and pull him down. But now I am ashamed to mount and lay good dogs on, to summon a full field, and then to hunt the poor game.

Wir müssen an dieser Stelle einmal etwas Nettes über ihn sagen. Christopher Hibbert ist in seiner beinahe neunhundertseitigen Biographie (die viel länger als die über ➱George III ist) sehr nett zu ihm. Das Times Literary Supplement hat über das Buch gesagt: This is one of the most satisfying biographies of an English king: it is ample, convincing and well written. Dagegen gibt es nichts zu sagen. George Augustus Frederick hatte große Anlagen als er jung war; er ist, wie so viele englische Königssöhne (denken wir nur an den Herzog von Windsor und seinen stotternden Bruder) auch ein Opfer einer übertrieben strengen Erziehung.

Diese Ermahnungen, die der Siebzehnjährige (hier links auf einem Bild von Benjamin West) erhält, sind da noch das Netteste: An Sonn- und Donnerstagen kannst Du in Deinem Apartment Abendessen geben, aber häufiger kann ich mir dies nicht leisten […] Teilnahme an Bällen und Gesellschaften, die in Privathäusern stattfinden, werde ich nicht gestatten […]. Was Maskeraden betrifft, ist Dir bekannt, dass ich diese für dieses Land unpassend finde […] Sollte ich morgens ausreiten, erwarte ich von Dir, dass Du mich dabei begleitest. Ich habe keine Einwände, wenn Du an den anderen Tagen alleine ausreitest, vorausgesetzt, es ist der Übung wegen und dient nicht dazu, im Hyde Park herumzulungern.

George besaß einiges schauspielerisches Talent, und er war musikalisch. Er war ganz reizend zu ➱Joseph Haydn, den er einmal auf dem Cello begleitete. Und er sang sehr gerne in seinem Musikzimmer im Royal Pavilion. Am liebsten Mighty Conqueror, das Samuel Webbe für ihn geschrieben hatte:

The mighty conqueror of hearts,

His pow’r I here deny;

With all his flames, his firs and darts

I, champion-like, defy.

I’ll offer all my sacrifice

Henceforth at Bacchus’ shrine.

The merry god ne’er tells us lies;

There’s no deceit in wine.

Die Nettigkeiten enden hier. Wollte ich all diese Verstöße gegen Benehmen, Moral und gute Sitten von Prinny aufzählen, dann schriebe ich noch im Juli an diesem Post. Nicht nur die Karikaturisten haben ihn geliebt, die Popular Culture liebt ihn heute immer noch. Ich hätte da einen kleinen ➱Film zu bieten, in dem Prinny singt. Oder einen ➱Schnipsel von der köstlichen Serie Blackadder, in der Hugh Laurie (den wir als Dr House kennen) den Prinzen von Wales spielt. Aber das letzte Wort soll die eigentlich sehr konservative Londoner Times haben. Die wenige Wochen nach dem Tod von George IV etwas wirklich Außergewöhnliches schrieb:

The truth is—and it speaks volumes about the man—that there never was an individual less regretted by his fellow-creatures than this deceased King. What eye has wept for him? What heart has heaved one throb of unmercenary sorrow? Was there at any time a gorgeous pageant on the stage more completely forgotten than he has been, even from the day on which the heralds proclaimed his successor? Has not that successor gained more upon the English tastes and prepossessions of his subjects, by the blunt and unaffected— even should it be grotesque—cordiality of his demeanour, within a few short weeks, than George the Fourth—that Leviathan of the haul ton—ever did during the sixty-eight years of his existence? If George the Fourth ever had a friend—a devoted friend—in any rank of life, we protest that the name of him or her has not yet reached us.

So oft wie kaum ein anderer ist George (der Heinrich Heines Doktorurkunde unterschrieb) in diesem Blog aufgetaucht, lesen Sie auch: ➱Regency, ➱Krönung18th century: Georgian Era, ➱Hannover, ➱Charles, ➱Kleider machen Leute, ➱Beau Brummell, ➱Tartan, ➱Bonnie Prince Charlie, ➱Walter Scott in Bildern, ➱David Wilkie, ➱Thomas Lawrences Blücher, ➱James Gillray, ➱Harry Heine

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Michael Ancher

 

Der dänische Maler Michael Ancher wurde am 9. Juni 1849 geboren. Er hat eine Schule von Malern begründet, aber nicht in Bornholm, wo er geboren wurde. Er gehörte nie zu den Malern, die man heute als Bornholmer Schule bezeichnet. Also Maler wie Karl IsakssonEdvard WeieNiels LergaardKræsten Iversen und Oluf Høst (der kommt schon einmal in dem Post ➱Nikolaus vor). Ancher ist nach Kopenhagen gegangen, hatte schon früh Erfolg. Hat aber sein Studium nie abgeschlossen. Weil er Skagen entdeckte und die Malerkolonie von Skagen gründete. Und massenhaft Fischer am Strand malte, die alle diesen furchtbaren Bart tragen, den man Schifferkrause nennt.

Der SPD Politiker Klaus Matthiesen trug den auch. Ich hätte mal für einen Hunni bei einer Versteigerung für einen guten Zweck (der gute Zweck war wahrscheinlich die SPD) ein Porträt von Matthiesen von Harald Duwe ersteigern können. Hat aber niemand geboten, wer will schon einen Mann mit Schifferkrause im Wohnzimmer haben? Ich habe dann lieber den Hunni auf ein Selbstbildnis von Horst Janssen gesetzt, das mir mein Freund ➱Gert Börnsen, der den Auktionator spielte, zugeschlagen hat. Fischer am Strand zu malen (und das einfache Volk bei der Arbeit), ist eine Modeerscheinung vom Ende des 19. Jahrhunderts. Auch der Amerikaner ➱Winslow Homer hat das in den zwanzig Monaten, die er in England verbrachte, immer getan. Diese dramatische Rettungsaktion hat er allerdings in Amerika gemalt, als er Zuschauer bei einer Demonstration der neuen Hosenboje war. Die die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger auch verwendete, in unserem ➱Heimatmuseum gab es auch eine zu besichtigen.

Besser als die schifferbärtigen Fischer gefällt mir allerdings dies Portrait des jungen Königs Christian X im Profil (so hat auch auch den König mit seiner ➱Gattin gemalt). Der war der größte dänische König, auf jeden Fall nach der Körpergröße (er war beinahe zwei Meter groß). Als König hat er bei deutschen Besatzung auch Größe gezeigt und eine wichtige Rolle bei der ➱Rettung der dänischen Juden gespielt. Ancher hat ihn noch einmal im ➱Frack gemalt, aber das Bild fällt doch etwas ab gegen das schöne Portrait, das ➱Anders Zorn von dem schwedischen König Gustav V malte. Gustav V hat das Bild von Zorn, für das er Modell gestanden hatte, übrigens nicht gemocht, das Königshaus hat es nicht angekauft.

Zu Gustav V und Anders Zorn (hier ein Selbstbildnis) gibt es eine kleine Anekdote, die sich in den Erinnerungen Hans Egon Kisch findet. Der bekommt eines Tages vom Hotelportier des Prager Hotels Zum blauen Stern einen Anruf, und schest sofort los, schließlich nennt man ihn den rasenden Reporter: Anders Zorn war im Hotel „Blauer Stern“ abgestiegen, und der Hotelportier hatte uns das telefoniert, wahrscheinlich weil er sich dachte, ein Künstler, der das sogenannte Fürstenappartement miete, müsse eine besondere Berühmtheit sein. Der Portier hatte recht, wie mir unser Kunstkritiker bestätigte, und so zog ich denn aus, den Maler Anders Zorn zu interviewen.

Anders Zorn war mit seinem Freund Prinz Eugen auf einer Autoreise durch Europa (wahrscheinlich im Rolls Royce von Zorn). Von Prag aus wird es nach Paris und London gehen. Prinz Eugen ist zwar der Sohn eines schwedischen Königs, er ist aber auch ein Maler. Und war kein schlechter, ich stelle einmal ein Bild von ihm hierher. Hans Egon Kisch trifft neben Anders Zorn im Hotel noch einige Schweden (von denen einer wohl Prinz Eugen gewesen sein wird), denen er von seiner Heimatstadt Prag erzählt:

Der Meister empfing mich, wie mir schien, mit einem ironischen Lächeln, aber das machte gleich bei meinem Eintritt einem aufmerksamen Blick Platz, da ich äußerte, er wohne in einem historischen Zimmer, hier sei der Prager Frieden geschlossen worden. Der Friede mit Schweden?“ fragte Anders Zorn. „Nein, der Frieden mit Preußen, 1866. Als die Schweden in Prag waren, 1648, wurde der Frieden nicht hier geschlossen, sondern in Osnabrück.“ Ob viele Andenken an die Schweden in Prag seien, mischte sich einer der zwei langgewachsenen Herren, die gleichfalls im Zimmer waren, ins Gespräch. „Die Schweden“, erwiderte ich, „besitzen viel mehr Andenken von den Pragern als die Prager von den Schweden. Aber Sie können auch hier noch allerhand finden.“ Ich sprach vom Brückenturm, vom Monument im Clementinum, vom Diorama auf dem Laurenziberg, von der Schwedenschanze und vom Wallensteinpalast – die drei Herren hörten interessiert zu. Als ich aber erwähnte, in Prag lebe auch eine jüdische Familie, die direkt mit dem schwedischen Königshaus, den Bernadottes, verwandt sei, schienen sie sehr betreten, und einer von ihnen fragte unvermittelt, wo sich die Spielplätze der First Lawn Tennis Society befänden.

Was Kisch nicht weiß: einer seiner langgewachsenen Gesprächspartner ist der schwedische König, dem die Geschichte mit den jüdischen Verwandten in Prag nicht so richtig schmecken will: Teufel! Der eine der beiden Herren, die ich für Besucher von Anders Zorn gehalten hatte, war Seine Majestät gewesen! König Gustav wurde damals viel diskutiert, erst vor kurzem war er König geworden, der erste König dieser Region, der sich nicht mit einem Reichsapfel auf zwei Throne setzte, nicht auf den von Schweden und den von Norwegen zugleich, sondern nur auf dem von Schweden saß.

Ein Vergleich der beiden Bilder zeigt auch schon die Grenzen von Michael Ancher auf. So gut wie Anders Zorn war er nie. Er war nicht einmal so gut wie seine Frau Ancher, die zu seinen Lebzeiten nicht so berühmt war wie er. Aber auf den dänischen 1.000 Kronen Schein sind sie beide gekommen. Und das Königshaus mochte ihn, 1894 war er schon Ritter des Dannebrog Ordens geworden. Als er sechzig war, starb sein Freund Peder Severin Krøyer. Der Marinemaler Holger Drachmann, der zum Dichter geworden war, war in dem Jahr davor gestorben. Michael Ancher, der schon immer zur Introspektion und Resignation neigte, wurde ein wenig schwermütig.

Er hatte nicht das Talent und die technischen Fähigkeiten, um seinen Freund Holger Drachmann so zu malen, wie Peder Severin Krøyer das getan hat. Er war gut mit seinen Fischern mit den Schifferbärten, aber der Impressionismus, zu dem sich seine Frau mehr und mehr hinwandte, blieb ihm zuerst fremd: Man denkt an alles, was man hätte malen können, alles was man gemalt haben wollte. 

Willumsen warf mir einmal vor, daß ich aus Bequemlichkeit in Skagen blieb; vielleicht war das nicht ganz zutreffend, viel eher ein Mangel an Mut, aber es war so als ob keiner Bedarf an einem anderen Ort gehabt hätte, auch nicht als wir versuchten nach Kopenhagen umzuziehen. Doch liegt die Schuld daran zuerst und am meisten bei uns selbst, man müßte ganz anders in das Leben eintauchen. Ob Skagen künstlerisch gesehen ein Glück war – wer weiß es, und es ist unnütz darüber zu sinnieren. Daß ich doch ein Glück für Skagen war, glaube ich, und das ist ja auch etwas. Dies Bild ist von seiner Frau Anna, es zeigt die Erweiterung des Brendumschen Hauses. Das Haus der Eltern der Gastwirtstochter Anna Ancher wird peu à peu vergrößert, wird zu einem Museum.

Denn die Gemeinde der Maler in Skagen ist gewachsen. Viele konnten am Anfang ihrer Karriere ihre Rechnung im Gasthof nicht bezahlen und ließen ihre Bilder bei Annas Vater. Christen Degn Brøndum hat sie alle gesammelt. Und aufgehängt. Der Speisesaal des Gasthauses, dessen Wände sie zierten, musste immer wieder erweitert werden. Die letzten Änderungen hat der junge dänische Architekt Ulrik Plesner vorgenommen, der gerade den Leuchtturm Højen fyr gebaut hatte. Plesner blieb in Skagen und baute das Skagen Museum (und den halben Ort um).

Theodor Fontane war nach dem deutsch-dänischen Krieg in Kopenhagen gewesen, er hat die Stadt das Paris des Nordens genannt. Er liebte ja den Norden. So schreibt er in seinen Erinnerungen: Alle die, die den Sinn für den Süden haben, werden anders urteilen, ich für meine Person aber bin ausgesprochen nicht-südlich und kann das Wort, das A. W. Schlegel auf seinen Freund Fouqué anwandte, füglich auch auf mich anwenden. »Die Magnetnadel seiner Natur«, so sagte Schlegel von Fouqué, »zeigt nach Norden«. Aber nach Skagen ist er nicht gekommen, er notiert im Sommer 1864 in seinem Tagebuch: Älborg, 17. September. Der heutige Tag sollte mich nach Frederikshavn führen, und morgen – bis nach Skagen Wollt ich es wagen Den Fuß zu tragen; – Aber Wind und Wolken jagen Und haben beschlossen, »nein« zu sagen. Dies Bild vom Skagener Strand hat Michael Ancher 1913 gemalt, wir können hier schön sehen, dass sich seine Palette unter dem Einfluss seiner Frau aufgehellt hat. Und er jetzt auch schon zum Impressionismus neigt, das ist gegenüber den Fischern mit den Schifferbärten schon eine gewaltige Entwicklung, denn Landschaftsbilder hatte er bisher kaum gemalt.

Wenn Sie alles zu Theodor Fontanes Dänemarkerlebnis und seinem geplanten Dänemark Buch (Mein skandinavisches Buch) wissen wollen, dann hätte ich zwei Literaturtips. Der eine ist das von Gotthard Erler herausgegebene Taschenbuch Im Paris des Nordens: Impressionen aus Dänemark. Das andere ist das von Christian Andree herausgegebene Buch Mein skandinavisches Buch. Reisen durch Dänemark, Jütland und Schleswig, das textkritisch vielleicht etwas anspruchsvoller ist. Womit ich natürlich nicht die Verdienste ➱Erlers als Fontane Herausgeber schmälern will, aber die Herausgabe von Fontanes 150-seitigem Manuskript (Großoktav) war nun einmal Andrees Verdienst. Der Autor hat das Manuskript, das in seinem Besitz war, inzwischen dem Fontane Archiv zur Verfügung gestellt.

Diese beiden Bilder von Ancher zeigen die Nordspitze von Skagen, etwas was kein Tourist auslässt. Man kann sich an irgendeiner Stelle ins Wasser stellen und hat dann einen Fuß in der Nordsee und einen in der Ostsee stehen. Der König Christian VII, der ein Meister der Selbstinszenierung war, hat das mal getan. Ich war einmal bei Sturm da, sah dramatisch aus, wie sich grünes und blaues Wasser mischten. Wäre etwas für Fontane gewesen.

Ich glaube, ich schreibe demnächst einmal etwas über Anna Ancher, ihr Gatte gibt irgendwie nicht so viel her. Sie hat ihn hier 1903 sehr ironisch portraitiert, schmeerbäuchig bei der Betrachtung seiner neuen Jagdstiefel. Ich habe das seltsame Bild (es gibt das Thema Jagd noch einmal bei dem vom Sonnenlicht durchfluteten ➱Bild, das Frühstück vor der Jagd heißt) dieses Skagener Nimrods nicht vergessen, seit ich es zum ersten Mal sah.

Ich habe das Bild schon in dem Post ➱Skagen erwähnt, in dem auch etwas mehr zu Anna Ancher steht. Und zu ihrer Freundin ➱Marie Krøyer. Das Bild der beiden in der heure bleue am Südstrand von Skagen ist ja zu einer Art Ikone geworden. Millionenfach auf Postkarten verbreitet (die Kunsthalle Kiel hat auch eins dieser ➱Strandbilder mit diesem Licht von Peder Severin Krøyer). Es ist vielleicht etwas ernüchternd, dieses Photo zu sehen: die Photographie als ➱Hilfsmittel des Malers ist auch schon in Skagen angekommen (der Schwede Anders Zorn wird nicht auf die Kamera verzichten).

Seit der Ausstellung Im Lichte des Nordens: Skandinavische Malerei um die Jahrhundertwende 1986 in Düsseldorf ist die Malerei Dänemarks und Schwedens in Deutschland etwas bekannter geworden. Hier oben in Kiel war man natürlich privilegiert, denn der Direktor der Kunsthalle ➱Jens Christian Jensen sorgte für schöne Ausstellungen der Kunst des Ostseeraums. Wie zum Beispiel den großen Ausstellungen Vor hundert Jahren: Dänemark und Deutschland 1864-1900 – Gegner und Nachbarn (1981) oder Anders Zorn (1989).

Und wunderbaren kleineren Ausstellungen wie Maler in Skagen (mit zweiundachtzig Bildern aus Skagen) im Jahre 1977. Die Kunst des Nordens ist in meinem Blog eigentlich recht gut repräsentiert, da bin ich wie Fontane nach Norden ausgerichtet. Ich hätte da außer ➱Skagen noch anzubieten: ➱Nicolai Abildgaard, ➱Bertel Thorvaldsen, ➱måneskinnsmaler, ➱Johan Christian Clausen Dahl, ➱Kreidefelsen, ➱Vilhelm Marstrand, ➱Carl Larsson, ➱Anders Zorn, ➱Dänische Kunst und ➱Nordlichter.

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Franz Skarbina

„Lizzi hat Ihnen ganz recht berichtet, der richtige London Fog, wobei mir natürlich Ihr Freund Stechlin einfällt. Aber über den sprechen wir nachher. Jetzt sind wir noch beim Nebel. Es war draußen wirklich so, daß ich immer dachte, wir würden zusammenfahren; und am Brandenburgerthor, mit den großen Kandelabern dazwischen, sah es beinah’ aus wie ein Bild von Skarbina. Kennen Sie Skarbina?“

     „Gewiß,“ sagte Melusine, „den kenn’ ich sehr gut. Aber allerdings erst von der letzten Ausstellung her. Und was, außer den Gaslaternen im Nebel, mir so eigentlich von ihm vorschwebt, das ist ein kleines Bild: langer Hotelkorridor, Thür an Thür, und vor einer der vielen Thüren ein paar Damenstiefelchen. Reizend. Aber die Hauptsache war doch die Beleuchtung. Von irgend woher fiel ein Licht ein und vergoldete das Ganze, den Flur und die Stiefelchen.“

     „Richtig,“ sagte die Baronin. „Das war von ihm. Und gerade das hat Ihnen so sehr gefallen?“

Wir sind im vierundzwanzigsten Kapitel von Fontanes Stechlin. Einem Roman, in dem der Berliner Maler Franz Skarbina erwähnt wird. Ein deutscher Maler des Impressionismus, der heute so gut wie vergessen ist. Aber die Literatur bewahrt auch Vergessenes auf. Skarbina hat Nachtstimmungen in der Großstadt gemalt, wie zum Beispiel hier diese Gleisanlagen im Norden Berlins. Vielleicht eins seiner besten Bilder.

Manchmal ähneln seine Bilder denen des Liverpooler Malers ➱John Atkinson Grimshaw, die Großstadt in der Dämmerung und in der Nacht ist ein Thema, das das Fin de Siècle liebt. Skarbina war nicht immer vergessen, er war sogar einmal ziemlich berühmt, war mit Liebermann im Vorstand der Berliner Sezession. Wäre er nicht so bekannt gewesen, hätte er wohl nicht den Weg in Fontanes Alterswerk gefunden.

Theodor Fontane hat persönlich Skarbina gekannt, man kann Hinweise darauf in seinen Briefen finden. Man weiß nicht, wie viele Bilder er von dem Maler gekannt hat. Der schöne Katalog Fontane und die bildende Kunst sieht in Fontanes Roman Stine noch ein Bild von Skrabina versteckt: Allmählich, während dies Gespräch geführt wurde, war die Sonne drüben niedergegangen, und nur ein letztesverblassendes Abendrot schimmerte noch zwischen dem Gezweige der Parkbäume. Stine hatte längst den Stickrahmen beiseite gestellt, und der junge Graf, der ihr jetzt gegenübersaß, sah in dem Fensterspiegel, wie die ganze Straße hinunter die Gaslaternen aufflammten. Er war so benommen davon, daß er eine Weile schwieg und dem eigentümlichen Straßenbilde zusah. 

Miriam-Esther Owesle sagt in ihrem Aufsatz Vergoldeter Alltag: Zum poetischen Realismus als künstlerischer Reflex bürgerlichen Sehens bei Theodor Fontane und Franz SkarbinaWenn Theodor Fontane […] Franz Skarbina im ‚Stechlin‘ ein literarisches Denkmal setzt und ihn als poetischen Realisten porträtiert, der die alltägliche Wirklichkeit im Medium seiner Kunst verklärt und in dessen Bildern die gehobenen Gesellschaftsschichten ihre Lebenswelt widergespiegelt sehen, macht er die Nähe von Skarbinas Kunstauffassung zu seiner eigenen deutlich. Andere Kritiker vermuten sogar, Fontane habe Bilder von Skarbina besessen, aber das sind doch Spekulationen. Die Bilder, die Fontane in seinen Romanen immer wieder malt (und schon der ➱Anfang von Effi Briest ist ja ein Bild), die konnte er ohne Skarbina malen.

Franz Skarbina seinerseits hat Fontane gelesen. Das können wir an diesem Bild sehen (das zugegeben etwas scheußlich ist). In Jenseit des Tweed schreibt Fontane: Während uns unser Kutscher noch von »Chiefswood« und Sir Walter nach seiner besten Kenntnis unterhält, haben wir abermals eine Abzweigung des Weges erreicht, von wo aus man bereits die hübschen Ufer des Huntly-Bachs und dahinter die sogenannte »Reimer-Schlucht« (Rhymers Glen) erkennt. Beide, Ufer und Schlucht, bezeichnen den Platz, wo »Thomas der Reimer« der Elfenkönigin begegnete, und das vielbesungene altschottische Lied, in welchem diese Begegnung beschrieben wird, hat einen Teil seiner Popularität auch auf den Schauplatz, der uns jetzt zur Seite liegt, übertragen. Die ersten Strophen dieser lieblichen Volksballade lauten wie folgt:

Der Reimer Thomas lag am Bach,
Am Kieselbach bei Huntly-Schloß,
Da sah er eine blonde Frau,
Die saß auf einem weißen Roß.

Sie saß auf einem weißen Roß,
Die Mähne war geflochten fein,
Und hell an jeder Flechte hing
Ein silberblankes Glöckelein.

Und Tom der Reimer zog den Hut
Und fiel ins Knie; – er grüßt und spricht:
»Du bist die Himmelskönigin
Und bist von dieser Erde nicht.«

Die blonde Frau, sie hält ihr Roß:
»Ich will dir sagen, wer ich bin,
Ich bin die Himmelsjungfrau nicht,
Ich bin die Elfenkönigin.

Nimm deine Harf‘ und spiel und sing
Und laß dein bestes Lied erschall’n,
Doch wenn du meine Lippe küßt,
Bist sieben Jahr du mir verfall’n.«

Und Thomas drauf: »O, Königin,
Zu dienen dir es schreckt mich kaum«;
Er küßte sie, sie küßte ihn,
Ein Vogel sang im Eschenbaum.

»Nun bist du mein, nun zieh‘ mit mir,
Nun bist du mein auf sieben Jahr«;
Sie ritten durch den grünen Wald,
Wie glücklich Tom der Reimer war.

Sie ritten durch den grünen Wald,
Bei Vogelsang, bei Sonnenschein,
Und wenn sie leis am Zügel zog,
So klangen all die Glöckelein.

Aber Franz Skarbina hat sich nicht immer in der Welt des atmosphärisch Diffusen der Nacht (oder der Märchen) aufgehalten. In den 1880er Jahren lebte er in Paris (und beteiligt sich an den Ausstellungen des Pariser Salons) und malte an den Stränden von Nordfrankreich, Belgien und Holland. Allerdings muss man sagen, dass sich (wie hier bei diesem Bild aus Belgien) seine Defizite auch klar zeigen, die er in der Dunkelheit der Stadtbilder verhüllen kann. Er kann (oder will) diese zeichnerische Genauigkeit nicht aufgeben, alle Personen sind scharf konturiert. Es wäre besser, diese Linien im flirrenden Licht verschwinden zu lassen.

Auch dieses Bild mit einer vergleichbaren Szene wird noch von Konturen beherrscht, aber während Skarbinas Bild eher wie eine kolorierte Zeichnung für eine Illustrierte wirkt, erscheint ➱Winslow Homers Bild aus New Jersey wie die amerikanische Version des französischen Impressionismus. Sie können in den Posts ➱ythlaf und ➱Le Tréport noch mehr Strandbilder sehen. Alle besser als die von Skarbina.

Er war kein ganz Großer, keine Konkurrenz für seinen Kollegen Max Liebermann, der schönere Strandbilder gemalt hat. So wie ➱Gustave Caillebotte bessere Bilder der Großstadt gemalt hat. Aber in diesem Blog, der immer Vergessene und Vergessenes ausbuddelt, bekommt auch Franz Skarbina, der heute vor 105 Jahren starb, einen Platz. Und vielleicht nur, damit wir das vierundzwanzigste Kapitel vom Stechlin (der ➱hier einen ausführlichen Post hat) besser verstehen können. Der Katalog Fontane und die bildende Kunst von Peter-Klaus Schuster ist ab 2,77 € bei Amazon Marketplace erhältlich. Alle Posts zur Kunst in diesem Blog und in dem Blog ➱vita brevis, ars longa gibt es natürlich kostenlos.

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Hogarth

James Thornhill, der am 13. Mai 1734 starb, war der erste englische Maler, der vom König geadelt wurde. Nicht von dem König, der gesagt hat: I hate bainting, and boetry too! Neither the one nor the other ever did any good, das war George II. Aber dies Zitat wird auch dem Hannoveraner George I häufig zugeschrieben. Thornhill hat große Flächen bemalt: die Kuppel der Saint Paul’s Cathedral, die große Halle von Blenheim Palace und die Decken von Hampton Court. Sie können hier auf der Seite der BBC neunundachtzig Bilder von Sir James Thornhill sehen. Nach den ersten zehn haben sie genug.

George I hat Thornhill nicht nur geadelt, er hat ihn auch 1718 zu seinem Hofmaler gemacht und ihn 1720 zu seinem Serjeant Painter ernannt. Das ist ein Posten, der dem Inhaber ein schönes Geld einbringt. Zu seinen Aufgaben gehört das Vergolden von Bilderrahmen und das Bemalen von Kutschen. Er braucht das nicht selbst zu machen, er hat nur die Aufsicht darüber. Im Jahre 1757 wird dieser Mann hier den Posten eines Serjeant Painter erhalten, da heißt der König George II, und das ist nun wirklich der mit den boets and bainters. Der Herr, der uns auf diesem Selbstportrait kritisch mustert, heißt William Hogarth, er ist der Schwiegersohn von Sir James Thornhill.

Under a pseudonym, I write a series of historical mysteries set in 18th-century London, a time and place I can reach only by means of other books. Of the library I’ve assembled, no book has been more helpful to me than a collection of 101 engravings by William Hogarth. He, who lived from 1697 to 1764, documented his age, caricatured and pilloried it, as no other artist has any other. It is difficult even to think of London in that time without calling to mind the pictures he painted and his even better known engravings. Across the space of over 200 years I’ve thanked him again and again for making plain some necessary detail of dress or architecture, or presenting with graphic exactitude some corner of the city where I wished to set a scene. Without Hogarth, how would we know the look of the forbidding interior of Bedlam, of the Fleet and Bridewell prisons, or the chaos of hanging day at Tyburn Hill?With some allowance made for the sort of exaggeration that he loved, he was the 18th-century equivalent of a master photo journalist — oh, but more, so much more. So beginnt Bruce Cook seine Rezension von Jenny Uglows Buch Hogarth: A Life and a World.

Wir wissen natürlich, dass Bruce Cook unter dem Pseudonym Bruce Alexander historische Krimis schreibt, die um den blinden Richter Sir John Fielding kreisen. Mit diesen Krimis ist er im Blog in dem Post Nathaniel Hone schon einmal erwähnt worden. Bruce Cook lobt in seiner Rezension das Buch von Jenny Uglow auf Kosten einer älteren Biographie von Ronald Paulson: The most widely acclaimed, because of its thoroughness, is Ronald Paulson’s Hogarth: His Life and Times, first published in two volumes in 1971, and recently expanded to three.

How expert reviewers (note that I disqualify myself) will compare this long single-volume work by Jenny Uglow to Paulson’s is anybody’s guess. I can say, though, that she, a professional biographer, has a way of bringing her subject and his milieu alive in a way which memory tells me Paulson’s academic prose simply failed to do. Hers is a book that welcomes the reader; it is thoroughly researched, yet written with great enthusiasm for that mad, crude, besotted age and a great affection for the man who pictured it so well in all its grim glory. Das ist ein klein wenig unfair zu Paulson.

Denn man sollte wissen, dass es seit 1974 auch eine einbändige, vom Verfasser autorisierte und empfohlene, abridged edition von der Biographie gibt, 461 Seiten dick (Yale UP Paperback). Hat für mich immer gereicht. Ist ein Klacks gegen die 794 Seiten der Penguin Ausgabe von Jenny Uglows Biographie, die wirklich sehr leserunfreundlich unhandlich ist. Sie ist sicher nicht schlecht, da hat Bruce Cook schon Recht, aber ich mag nun mal Bücher, die beim Lesen auch schön in der Hand liegen. Was natürlich gut in der Hand liegt, sind diese kleinen grauen Pappbände von Georg Lichtenberg, die den Titel Ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche haben.

Und die mit der schönen Vorrede Lichtenberg beginnen: Hier überreiche ich dem deutschen Publikum das erste Heft einer Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche. Ich habe ihr so viel Vollständigkeit zu geben gesucht, als mir nach meiner jetzigen Bekanntschaft mit diesen Produkten des Genies, möglich gewesen ist. Sie enthält nicht allein alles, was ich in den besten mir bekannt gewordenen Auslegern Bemerkungswertes gefunden habe, sondern auch noch die Bemerkungen einiger Freunde in London sowohl als Deutschland, und meine eignen. 

Ich muß gestehen, ich trete nicht ganz ohne Furcht damit hervor, und dieses aus mehr als einer Ursache. Man hat meine Erklärungen dieser Werke im hiesigen Taschen-Kalender mit Beifall aufgenommen. Vielleicht weil sie da in einem Büchelchen, das man bald wegwirft, selbst als wie von mir weggeworfen erschienen. Was ich da in vollem Ernst gegeben hatte, hielt man etwa bloß für Proben von dem, was ich leisten könnte, wenn ich in vollem Ernst wäre; und so konnte jenes Lob mehr Aufmunterung sein als verdienter Lohn, und sich auf Hoffnungen gründen, die jetzt dieser volle Ernst vereitelt.

Das Bild im obigen Absatz hat Hogarth (der hier seine Dienerschaft gemalt hat)  mit dem Satz versehen: Whoever makes a design without the knowledge of perspective will be liable to such absurdities as are shown in this frontispiece. Das Blatt Satire on False Perspective oben ziert 1754 ein Buch seines Freundes Joshua Kirby, das sich mit der Perspektive beschäftigt.

Im Jahr zuvor hatte Hogarth eigene Theorien unter dem Titel Analysis of Beauty veröffentlicht, es ist jetzt viel von Theorie die Rede in der Welt der Kunst. Ein deutscher Philosoph namens Alexander Gottlieb Baumgarten etabliert die Ästhetik als eigenständige philosophische Disziplin, Fragen der Schönheit und des Geschmacks hatten die Griechen nicht so interessiert.

Rechts auf dem Stuhl des obigen Portraits von Captain Lord George Graham in der Kabine seines Schiffes sitzt übrigens der Mops von Hogarth, dem jemand die Perücke des Captains aufgesetzt hat. Seinen Mops (er hatte mehrere) hat Hogarth immer wieder gemalt. Auch auf diesem Selbstportrait The Painter and His Pug aus dem Jahre 1745, das ein ganzes künstlerisches Programm beinhaltet, Sie können dazu mehr auf dieser Seite der Tate Gallery lesen. Manche Kritiker haben angemerkt, dass Hogarth und sein Mops sich auf den Bildern ähneln und haben das nette Wortspiel von pug (Mops) und pugnacious (streitsüchtig, hartnäckig) gebracht, womit sie auf Hogarth‘ Charakter anspielten.

Im 18. Jahrhundert wird taste zu einer wichtigen Kategorie des bürgerlichen Publikums (dieses satirische Blatt von Hogarth heißt zum Beispiel Taste in High Life), Sie können dazu mehr in den Posts lesen, die 18th Century im Titel haben. Neue Kategorien der Kunstbetrachtung werden Mode, wie das Pittoreske (picturesque) und das Erhabene (sublime). Es sind die Engländer, die jetzt in der Kunst den Ton angeben. Ich lasse einmal die Kunsttheorie von Hogarth draußen vor. Wenn Sie wollen, können Sie die Analysis of Beauty hier im Volltext lesen. Und mehr zu dem Thema finden Sie in Ronald Paulsons Buch Breaking and Remaking: Aesthetic Practice in England, 1700-1820.

Ich habe schon in dem Post Lichtenberg gesagt, dass ich etwas besitze, was jeden Lichtenberg Liebhaber grün vor Neid werden lässt. Nämlich eine vollständigen Ausgabe der Ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche. In den Originallieferungen. Kein Büchelchen, das man bald wegwirft. Und den Tafelband von Riepenhausen mit den Stichen nach Hogarth noch dazu. Mit den Kopien unsers Herrn Riepenhausen wird das Publikum, wie ich hoffe, zufrieden sein. Es sind die vollkommensten, die ich wenigstens je gesehen habe. Es ist auch kein Gesichtszug verloren gegangen. Mit Vergnügen bemerkt man die schnellen Fortschritte, womit er sich der ganzen Manier des Engländers nähert, wenn er sie nicht hier schon völlig erreicht hat. Die Szene hier ist eine Illustration zu The Beggar’s Opera, ich habe das Bild schon in dem Post Greensleeves gebracht.

In den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts richtete James Thornhill in seinem Londoner Haus eine Mal- und Zeichenschule ein. Nicht unbedingt freiwillig, eher aus Trotz. Er war gerade von den Herren Louis Chéron und John Vanderbank als Direktor der kleinen Akademie in der  St Martin’s Lane, die der in Lübeck geborene Hofmaler Sir Godfrey Kneller einmal begründet hatte, abgelöst worden. Hogarth war da Schüler gewesen, er folgt Thornhill in dessen Akademie. Dort lernt er auch Thornhills Tochter Jane (Bild) kennen, die damals ungefähr fünfzehn gewesen sein muss. Hogarth wird zu einem Teil der Familie, Thornhills Sohn John wird sein Trinkkumpan.

Als Jane zwanzig war, haben Hogarth und Jane Thornhill geheiratet. Im deutschen Wikipedia Artikel zu Hogarth steht: Dieser brannte 1729 mit der Tochter seines Lehrers durch und heiratete sie heimlich. So haben die ersten Biographen im 18. Jahrhundert die Geschichte auch geschildert, aber so dramatisch war es wohl nicht, denn wenig später wohnten die beiden wieder im Haus von Thornhill. Wir wissen leider sehr wenig über das Leben von Hogarth, die 794 Seiten von Jenny Uglows Biographie täuschen ein wenig. Mein Lesetip zu Hogarth – wenn ich den mal hier in der Mitte plazieren soll – wäre David Bindmans Taschenbuch Hogarth (1981 bei Thames & Hudson erschienen). Professor Bindman ist übrigens auch auf der DVD ✺Hogarth’s Progress (arthaus) von Roger Parson zu sehen.

Die Tochter des Hofmalers und Serjeant Painters zu heiraten, bedeutet für Hogarth einen Karrieresprung. Vorher war er einer von vielen Kupferstechern in London, jetzt ist er jemand. Es wird bei dem jungen Paar sicher am Tag nach der Hochzeit nicht so ausgesehen haben, wie auf diesem Bild der Marriage à la Mode. Hogarth wird seinen Schwiegervater, trotz des vielleicht kurzfristigen Zerwürfnisses, immer schätzen. Er weiß natürlich, dass er ein größerer Maler ist als James Thornhill.

Im Jahr des Todes von Thornhill wird das englische Parlament den Engraving Copyright Act beschließen, ein Gesetz, das manchmal auch Hogarth’s Act genannt wird. Weil Hogarth dafür gesorgt hatte, dass das Verbot von Raubkopien durchgesetzt wird. Kämpferisch, pugnacious. Denn kaum ein Künstler leidet so sehr unter den Raubkopien, weil auch kein anderer wie er von all seinen Bildern Kupferstiche anfertigt. Die sich im übrigen gut verkaufen. Vor allem das, was man heute die Modern Moral Series nennt, also Bildfolgen wie A Harlot’s ProgressA Rake’s Progress und Marriage à la Mode.

Die letzte Geschichte geht (im Gegensatz zu Hogarths Ehe) nicht gut aus, William Thackeray hat es uns beschrieben: This famous set of pictures contains the most important and highly wrought of the Hogarth comedies. The care and method with which the moral grounds of these pictures are laid is as remarkable as the wit and skill of the observing and dexterous artist. He has to describe the negotiations for a marriage pending between the daughter of a rich citizen Alderman and young Lord Viscount Squanderfield, the dissipated son of a gouty old Earl … The dismal end is known. My lord draws upon the counselor, who kills him, and is apprehended while endeavouring to escape. My lady goes back perforce to the Alderman of the City, and faints upon reading Counsellor Silvertongue’s dying speech at Tyburn (place of execution in old London), where the counselor has been ‚executed for sending his lordship out of the world. Moral: don’t listen to evil silver-tongued counselors; don’t marry a man for his rank, or a woman for her money; don’t frequent foolish auctions and masquerade balls unknown to your husband; don’t have wicked companions abroad and neglect your wife, otherwise you will be run through the body, and ruin will ensue, and disgrace, and Tyburn. 

Moralische Geschichten in einem unmoralischen Jahrhundert, Vorläufer des Comic Strips, Szenen aus dem prallen Leben. Bruce Cook hat schon Recht, wenn er sagt, dass man ohne Hogarth das 18. Jahrhundert nicht verstehen kann. Gut, man kann The Pleasures of the Imagination: English Culture in the Eighteenth Century von John Brewer lesen, aber das ist nicht das gleiche (es gibt von dem Buch auch eine DVD Version). Da ist man schon besser beraten, die kongenialen Hogarth Interpretationen von Lichtenberg zu lesen.

Hogarth wird keine Schüler haben, aber er begründet das, was man die English school der Malerei nennt. Und er wirkt bis heute. Ronald Searle fühlte sich ihm verpflichtet (und hat einen kleinen Film über ihn gedreht), und für den Filmregisseur Ken Loach ist er eine Inspiration (sehen Sie ✺hier einen kurzen Film). Samuel Johnson, den wir besser als Dr Johnson kennen, hat nach dem Tod von Hogarth einen kleinen Vierzeiler geschrieben:

Epitaph for Mr Hogarth


The hand of him here torpid lies,

That drew the essential form of grace;

Here closed in death the attentive eyes,

That saw the manners in the face.

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Friedhof

 

Seit dem Jahr 1800 häufen sich auf seinen Bildern Friedhöfe und Gräber. Er dichtet sogar über das Thema:

Warum die Frag ist oft an mich ergangen

Wählst Du zum Gegenstand der Malerei

So oft den Tod, Vergänglichkeit und Grab? 

Um ewig einst zu leben, 

muß man sich oft dem Tod ergeben.

Ist das Koketterie oder Selbstironie? Von Friedrich muss ich einmal ausführlicher schreiben, über ihm hängt seit ein paar Jahren eine dicke trübe Wolke geistig unklarer Zustände, schreibt Carl Gustav Carus, Maler, Arzt und Psychologe, im Jahre 1829. Über den Selbstmordversuch vom Anfang des Jahrhunderts, sagt er jetzt noch nichts. Das wird erst 1843 in seinen Memoiren stehen. Wir sollen uns nicht täuschen, Caspar David Friedrich ist ein schwerkranker Mann. Depressionen, Verfolgungswahn, Eifersuchtswahn. Das Bild oben ist übrigens ein Selbstportrait.

Wenn die Todesthematik um 1800 zuerst auf seinen Bildern auftaucht, dann hat er noch vierzig Jahre Zeit für seine morbiden Gedanken, heute vor 175 Jahren ist er gestorben. Er gilt heute als einer der größten deutschen Maler. Mir persönlich wäre es ja lieber wenn ➱Carl Blechen das wäre. Ich überlege mir immer, ob ➱Gisèle Freunds Vater das Bild mit den Rügener Kreidefelsen (das er als Blechen kaufte) gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass es ein Caspar David Friedrich war. Dieses Bild hier zeigt das Grab des 1820 gestorbenen Malerkollegen und Schüler ➱Gerhard von Kügelgen.

Thomas Gray hat seine Elegy Written in a Country Churchyard 1750 geschrieben, da war die graveyard poetry Mode. Kaum war diese Mode vorbei, da bemächtigte sich die Gothic Novel der Gräber und Friedhöfe (zu dem Thema gibt es ➱hier einen langen Post), irgendwie wird die Literatur dieses morbide Thema nicht los. Die Literaturwissenschaft hatte das Thema ja eigentlich mit Liebe, Tod und Teufel: Die schwarze Romantik von Mario Praz und Love and Detah in the American Novel von Leslie Fiedler abgehakt. Aber dann kam Elisabeth Bronfen, warf Praz und Fiedler in den Mixer und kippte feministische Sauce drüber. Und trat damit – ganz in Schwarz gehüllt – bei Thomas Gottschalk auf. Das Studio war abgedunkelt, nur Kerzen beleuchteten ihren Goth Auftritt. Degoutant.

Friedrich ist nicht der einzige, der im 19. Jahrhundert so etwas malt. Auch Moritz von Schwind präsentiert in den 1820er Jahren eine Mappe voller Gräber oder Todesgedanken. Aber niemand ist so beharrlich bei diesem einem Thema wie Friedrich, mehr als zwei Dutzend Bilder hat er von Gräbern (hier Huttens Grab) und Friedhöfen gemalt. Der amerikanische Professor Karl Whittington hat in seinem sehr interessanten ➱Aufsatz Caspar David Friedrich’s Medieval Burials in Nineteenth-Century Art Worldwide im Jahre 2012 von diesen Bildern als deathscapes gesprochen.

Die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer hat das Bild Abtei im Eichwald mit den Worten beschrieben: Die Natur ganz erstorben, schwer lastet der Schnee auf der Erde, wie ein marmorner Grabstein; schwarze, große Eichen strecken die nackten Äste zum Himmel; sie stehen wie klagende Gespenster um das einzig übriggebliebene Portal der zerstörten Kirche … Ein geistermäßiger Leichenzug, von Mönchen begleitet, zieht sich über den Vordergrund zum Portal, ein Sarg wird eben hineingetragen … Welch ein Bild des Todes ist diese Landschaft! Das ist jetzt beinahe eine Beschreibung des Kunstprogramms von Caspar David Friedrich.

1787 rettet ihm sein Bruder Johann Christoffer beim ➱Schlittschuhlaufen das Leben, ertrank aber bei der Rettung selbst. Es ist ein Erlebnis, das Friedrich nie vergessen kann. Das Thema des Todes ist bei Friedrich nicht nur eine Mode, es ist tief in ihm, ist Teil seiner eigenen mystischen Religion, bei der die Bilder zu Altären werden: Der Mahler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den Spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke und Tote erwartet. 

Ich war erst wenige Monate im Internet, als ich am 7. Mai 2010 den Post ➱Caspar David Friedrich schrieb. Es blieb nicht der einzige Post, da kamen irgendwann noch ➱Nebelmeer und ➱Kreidefelsen. Ich glaube, ich lege das Thema Caspar David Friedrich erst einmal ad acta.

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civility

Der 29. April ist der Welttag des Tanzens. Nunc est bibendum, nunc pede libero pulsanda tellus. Tanzen lernte man früher in der Tanzschule, also richtige Tänze, nicht diese seltsamen Bewegungen, die das Discopublikum heute macht. Es kommt in meinem Blog leider relativ wenig Tanz vor, außer den Posts ➱Tango und ➱Abtanzball finde ich nichts. Und bevor Sie anfangen zu fragen, Jay ist auch auf dem Photo von unserem Abtanzball. Obere Reihe, zweiter von links.

Wer die hübsche Frau neben mir ist, weiß ich leider nicht mehr. Ich weiß noch, dass sie in Schönebeck wohnte, aber ich weiß ihren Namen nicht mehr. Im Merken von Namen bin ich nie gut. Meine Eltern fanden, wir seien ein schönes Paar, aber ich hatte längst eine andere. Damals lernte man in der Tanzschule von Nico Arff nicht nur die Gesellschaftstänze, man lernte auch die Grundregeln des guten Benehmens. Und um das Benehmen soll es heute gehen, wie der Titel civility schon sagt. Mit diesem Bild der ➱Plaza Tiller Girls leite ich jetzt ganz elegant von Thema des Tanzens zum  englischen Maler Walter Sickert über.

Das Bild hier hat den Titel The MinerThat picture gives you the right feeling, doesn’t it? You’d kiss your wife like that if you’d just come up from the pit, wouldn’t you? sagt Sickert zu seinem jungen Besucher Denton Welch. Der ist vielleicht nicht der Richtige, um diese Frage zu beantworten. Mit Frauen hat Welch nichts im Sinn. Denton Welch hat das Treffen mit Sickert im Jahre 1936 nach Sickerts Tod unter dem Titel Sickert at St. Paul’s in Horizon, der Zeitschrift von Cyril Connolly, veröffentlicht. Horizon ist die wichtigste Zeitschrift der vierziger Jahre, hier schreibt die englische crème de la crème. Der Artikel über Sickert ist der Beginn der literarischen Karriere des Malers und Dichters Denton Welch.

Maurice Denton Welch (hier ein Selbstportrait) wäre in diesem Jahr hundert geworden, ich habe vergessen, am 29. März über ihn zu schreiben. Weil ich da gerade ➱måneskinnsmaler geschrieben hatte und an dem Post ➱Lilli Martius schrieb. Ganz vergessen habe ich ihn natürlich nicht, denn er hat schon am 29. März 2014 einen langen ➱Post bekommen. In dem allerdings diese Anekdote von dem Treffen mit Walter Sickert (der hat ➱hier natürlich auch einen langen Post) nicht vorkommt. Sie hat, auf einem Zettel notiert, ein Jahr lang auf dem Schreibtisch gelegen. Blogger werfen nichts weg, man weiß nicht, ob man es nicht noch einmal brauchen kann.

Denton Welch wird an jenem Nachmittag von seinem Freund, dem Maler Gerald Leet (der dieses Bild von Welch gemalt hat), begleitet. Der ist zwar nicht eingeladen, kommt aber einfach mit. Die Unterhaltung zwischen dem alten Maler und den beiden jungen Malern ist, wenn man Welchs Bericht glauben kann, ein klein wenig exzentrisch. Na ja, schließlich sind es Engländer. Sickert erzählt Gerald Leet einiges über die Familie Eden, der schwerreiche Sir William Eden war ja einmal sein Mäzen. Er erzählt auch, wie er dem kleinen Anthony Eden mal den Hintern versohlt hat, und welch schöner Mann der Anthony geworden ist.

Und sagt dann, zu Denton gewendet: Ugly ones like us haven’t a chance when there’s someone like Eden about, have we? Wenn die Engländer etwas können, dann ist es ja dieser Florettstich einer gezielten Beleidigung. Es trifft Denton Welch schon. Erst die Sache mit You’d kiss your wife like that if you’d just come up from the pit, wouldn’t you? und nun dies. Wenn die beiden jungen Maler gehen, wird Walter Sickert ihnen nachrufen: Goodbye, goodbye! Come again when you can’t stop so long! Das ist immer wieder zitiert worden, wenn auch etwas falsch als: You must come again when you have less time.

Ach ja, die Engländer: ›Ja, wenn wir England nicht mehr lieben sollen, was sollen wir dann überhaupt noch lieben?‹ Diese halbe Vergötterung hab‘ ich noch ehrlich mit durchgemacht. Aber das ist nun eine hübsche Weile her. Sie sind drüben schrecklich runtergekommen, weil der Kult vor dem Goldenen Kalbe beständig wächst; lauter Jobber und die vornehme Welt obenan. Und dabei so heuchlerisch; sie sagen ›Christus‹ und meinen Kattun.« Das lässt ➱Theodor Fontane im Stechlin eine Romanfigur sagen. Wir haben ein englisches Wort dafür, und das heißt cant. Was der Merriam Webster definiert als: the expression or repetition of conventional or trite opinions or sentiments; esp: the insincere use of pious words. Damit Sie sich im Dschungel der englischen Höflichkeit zurechtfinden können, gebe ich Ihnen hier einmal einen kleinen Leitfaden:

WHAT THE BRITISH SAY  WHAT THE BRITISH MEAN  WHAT FOREIGNERS UNDERSTAND
I hear what you say I disagree and do not want to discuss it further He accepts my point of view
With the greatest respect You are an idiot He is listening to me
That’s not bad That’s good That’s poor
That is a very brave proposal You are insane He thinks I have courage
Quite good A bit disappointing Quite good
I would suggest Do it or be prepared to justify yourself Think about the idea, but do what you like
Oh, incidentally/ by the way The primary purpose of our discussion is That is not very important
I was a bit disappointed that I am annoyed that It doesn’t really matter
Very interesting That is clearly nonsense They are impressed
I’ll bear it in mind I’ve forgotten it already They will probably do it
I’m sure it’s my fault It’s your fault Why do they think it was their fault?
You must come for dinner It’s not an invitation, I’m just being polite I will get an invitation soon
I almost agree I don’t agree at all He’s not far from agreement
I only have a few minor comments Please rewrite completely He has found a few typos
Could we consider some other options I don’t like your idea They have not yet decided

Zum Schluss habe ich noch ein schönes Gedicht von Robert Herrick, in dem das Wort civility (Höflichkeit) vorkommt. Herrick ist ein Dichter, der hier noch viel zu wenig zitiert worden ist. Aber immerhin mit ➱Jungfrauen schon einen Post hat. Das letzte Mal, dass ich über englische Dichter des 17. Jahrhunderts schrieb, hieß der Post ➱Michael Drayton. Ich habe vor Wochen die Abteilung englische Literatur des 17. Jahrhunderts bei mir aufgeräumt und mir gedacht, über was man noch alles schreiben könnte. Es ist das golden age der englischen Dichtung. Und habe dann bewusst Shakespeares Geburtstag in diesem Jahr nicht erwähnt, aber den Post ➱William Shakespeare vom 23. April 2014 sollten Sie doch lesen, vor allem wegen des schönen Limericks am Ende. Dieses Bild ist natürlich weder von Sickert noch von Welch. Ich fand es in diesem schrägen ➱Blog. Es ist, wenn man so will, eine Interpretationhilfe für das Gedicht:

A sweet disorder in the dress 

Kindles in clothes a wantonness:

A lawn about the shoulders thrown

Into a fine distraction:

An erring lace which here and there

Enthrals the crimson stomacher:

A cuff neglectful, and thereby

Ribbons to flow confusedly:

A winning wave (deserving note)

In the tempestuous petticoat:

A careless shoe-string, in whose tie

I see a wild civility:

Do more bewitch me than when art

Is too precise in every part.

 
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Aquarellmalerei

 

Das Bild ist nicht typisch für ihn, aber aus diesem Grund bilde ich es ab. Denn die Bilder, die typisch für ihn sind, sind ➱Stillleben und ➱Vogelnester. Weshalb man William Henry Hunt auch Bird’s Nest Hunt nennt. Der englische Maler wurde heute vor 225 Jahren geboren, er verdient in diesem Blog sicherlich einige Zeilen, vor allem, weil ich dann über den Arzt Dr Thomas Monro schreiben kann. Der ist hier schon in den Posts ➱Thomas Girtin, ➱Richard Parkes Bonington und ➱John Sell Cotman erwähnt worden, woraus man schliessen kann, dass er etwas mit der englischen Aquarellmalerei zu tun hat.

Wie schon sein Vater und sein Großvater ist Dr Monro Arzt am Bethlem Royal Hospital, das gemeinhin nur Bedlam genannt wird. Er ist auch der Arzt des Königs George III, als der endgültig dem Wahnsinn verfällt. Er malt selbst (dieses Aquarell, A Marshy Plain, Distant Hills, ist von ihm) und sammelt Kunst. Und Künstler. Er wird eine eigene Malschule in seinem Haus in Busshey aufmachen. Die berühmtesten Schüler von Dr Monro heißen William Turner und Thomas Girton.

John Ruskin hat über das Verhältnis von Turner zu Dr Monro gesagt: His true master was Dr Monro; to the practical teaching of that first patron and the wise simplicity of method of watercolour study, in which he was disciplined by him and companioned by Giston, the healthy and constant development of the greater power is primarily to be attributed; the greatness of the power itself, it is impossible to over-estimate. Auf diesem Aquarell von William Henry Hunt ist Dr Monro zu Pferd vor der Kirche von Busshey zu sehen. Links davon sind die Grabsteine von Thomas HearneHenry Edridge und Dr Monros Sohn Henry, der auch Maler war. Auf der ➱Seite des British Museum gibt es eine bessere Abbildung von dem Bild, bei dem man die farblichen Nuancen besser sehen kann.

Als Dr Munro noch Assistenzarzt in Bedlam ist, hat er einen Patienten namens ➱James Robert Cozens. Der ist der Sohn des berühmten Alexander Cozens, dessen Vater für Peter den Großen Schiffe gebaut hat. Das mit dem Schiffbau kennen wir nach natürlich aus der Oper Zar und Zimmermann. Da hören wir doch eben einmal in die ➱Oper hinein und lassen Fritz Wunderlich Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen singen. Es geht das Gerücht, dass Alexander Cozens ein unehelicher Sohn von Peter dem Großen sei. An der Geschichte ist natürlich nichts dran, aber Cozens (hier ein Bild von ihm) widerspricht ihr nicht. So etwas ist gut für das Geschäft. Alexander Cozens hat als Zeichenlehrer berühmte Schüler gehabt. Zwei davon, ➱Sir George Beaumont und ➱William Beckford, werden in diesem Blog schon gewürdigt.

Jetzt ist sein Sohn nach einem Nervenzusammenbruch in dem Krankenhaus von Monro. Thomas Monro erkennt sogleich das Talent des Mannes, über den John Constable gesagt hat, er sei the greatest genius that ever touched landscape. Monro lernt von ihm und wird nach Cozens Tod dessen Bilder kaufen. Die er seinen Schülern zum genauen Studium empfiehlt.

Zeichnen und Aquarelle malen ist ja schon lange ein Hobby der englischen Gentlemen gewesen, bevor es die Beschäftigung der sogenannten höheren Töchter wurde (so kommt ➱Lilli Martius zu ihrem Kunststudium). Vielen werden auf ihrer ➱Grand Tour in Italien zeichnen, William Beckford nimmt seinen Zeichenleher Cozens als Reisebegleiter mit. Man kann die Reste dieser Bewegung heute noch in Prince Charles sehen, der ja in seinen Aquarellen gar nicht so schlecht ist. Thomas Monro hatte Privatunterricht bei ➱John Laporte (Bild), von dem er auch Bilder kauft (wir wissen aus den Tagebüchern von Joseph Farington, dass er dafür £500 oder £600 ausgegeben hat, was damals eine Menge Geld ist).

Es ist nicht bewiesen, aber es könnte durchaus sein, dass auch ➱Gainsborough, den jungen Monro unterrichtet hat (auf jeden Fall vermutet das Mora Abell in ihrem Buch Doctor Thomas Monro: Physician, Patron and Painter). Wir wissen, dass Gainsborough Monros Vater gekannt hat und wahrscheinlich dessen medizinischen Rat gesucht hat, als seine Tochter Margaret einen Nervenzusammenbruch hatte. Diese Zeichnung könnte für einen Gainsborough durchgehen, ist aber ein echter Thomas Monro. Der natürlich auch Bilder des verehrten Meisters bei sich an den Wänden hatte.

Und mit diesem Bild vom Schloss Windsor aus dem Jahre 1810 kehren wir wieder zu William Henry Hunt zurück. Am Anfang seiner Karriere hat er Ölbilder in der Royal Academy ausgestellt, Mitglied konnte er da nicht werden, weil er ansonsten nur Aquarelle malte. Das ist für die Akademie nicht fein genug. Die Aquarellisten schließen sich deshalb zusammen und gründen 1805 die Society of Painters in Water Colours. Hunt gehört ihr seit 1824 an und wird 1827 Vollmitglied. Er ist das fleißigste Mitglied der Gesellschaft, er wird bis zu seinem Tod über achthundert Werke dort ausstellen.

Zur Zweihundertjahrfeier der Society of Painters in Water Colours hat es 2005 Ausstellungen mit einem vorzüglichen Kataog von Tim Wilcox (The Triumph of Watercolour: The Early Years of the Royal Watercolour Society 1805-55) gegeben, der antiquarisch nicht die Welt kostet. Das ist übrigens derselbe ➱Timothy Wilcox, der diesen tollen Katalog Day in the Sun: Outdoor Pursuits in the Art of the 1930s gemacht hat (er wird in dem Post ➱Keep Calm and Carry On etwähnt).

Was wäre aus Hunt (hier ein Selbstbildnis) geworden, wenn er Landschaftsaquarelle im Stil von Paul Sandby, Thomas Girtin, Richard Parkes Bonington und John Sell Cotman gemalt und sich nicht auf die Vogelnester kapriziert hätte? Ich weiß es nicht, ob sein Talent wirklich ausgereicht hätte, diese Meister des Aquarells zu erreichen. Er findet für sich mit Vogelnestern und Bildern von Blumen und Obst eine Nische, die das viktorianische Publikum goutiert. ➱John Ruskin (der auch Malunterricht bei Hunt nimmt) schwärmt für William Henry Hunt. Und die süßen kleinen Vogelnester.

Gedichte über Vogelnester sind wahrscheinlich rar. Gedichte über Vögel nicht. Meine Lieblingsgedichte kommen von Thomas Hardy, aber dessen Weathers habe ich schon in dem Post ➱April gebracht und The Darkling Thrush in dem Post ➱Neujahr. Da nehme ich mir doch das erste Bild von Hunt, diese hingetuschte seascape. Denn Gedichte über das Meer sind viel leichter zu finden. Auf dieser ➱Seite finden sich zahlreiche deutsche Gedichte zu dem Thema, aber ich stelle hier lieber einen Klassiker hin, John Masefields Sea Fever:

I must go down to the seas again, to the lonely sea and the sky,

And all I ask is a tall ship and a star to steer her by;

And the wheel’s kick and the wind’s song and the white sail’s shaking,

And a grey mist on the sea’s face, and a grey dawn breaking.

I must go down to the seas again, for the call of the running tide

Is a wild call and a clear call that may not be denied;

And all I ask is a windy day with the white clouds flying,

And the flung spray and the blown spume, and the sea-gulls crying.

I must go down to the seas again, to the vagrant gypsy life,

To the gull’s way and the whale’s way where the wind’s like a whetted knife;

And all I ask is a merry yarn from a laughing fellow-rover,

And quiet sleep and a sweet dream when the long trick’s over.

 

 

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Sklavenschiff

 

Wenn ➱Ralph Ellison in seinem Roman Invisible Man den Kapitän Amasa Delano mit den Worten you are saved: what has cast such a shadow upon you? zitiert, dann ist das natürlich nicht ohne eine tiefere symbolische Bedeutung. Denn hinter Herman Melvilles meisterhafter ➱Erzählung Benito Cereno steht auch die Geschichte der Amistad. Das Schiff ist dank des Filmes von Steven Spielberg ja etwas bekannter geworden, obgleich die Geschichtsvermittlung à la Hollywood immer eine zweifelhafte Sache ist. Sie sollten vielleicht hier einmal Clio at the Multiplex lesen, Simon Schamas großartige Besprechung des Films aus dem New Yorker. Über Melvilles Erzählung, die bislang nur ➱hier erwähnt wurde, schreibe ich irgendwann noch einmal. Heute geht es nicht um Amaso Delanos Bachelor’s Delight oder Benito Cerenos San Dominick. Heute geht es um ein anderes Schiff. Und eine andere Zeit. Wir springen einmal in das Jahre 1781.

Captain Luke Collingwood von der Zong ist zuvor Schiffsarzt gewesen, das hier auf der Zong ist sein erstes Kommando. Er ist auch Anteilseigner des Schiffes. Und der Fracht. Die Zong war ein holländisches Schiff, das zuerst Zorgue hieß, aber dann haben die Engländer es 1781 gekapert und umgetauft. Mit dem symbolischen Namen, der einmal Sorge und Pflege bedeutete, hat es nun nichts mehr zu tun. Das Schiff hat jetzt englische Eigner. Die sitzen in Liverpool und sind im Sklavenhandel. Wie Kapitän Collingwood, der bisher als Arzt für die Auswahl der Sklaven in Afrika zuständig war. Jetzt hat er 442 schwarze Sklaven an Bord und will nach Jamaica. Die Fracht des Schiffes ist für die stolze Summe von 8.000 Pfund Sterling versichert.

Mit den nautischen Kenntnissen von Collingwood ist es nicht so weit her. Man segelt an Jamaica vorbei, die Wasservorräte werden knapp. Da beschließt Collingwood, einen Teil der noch lebenden Sklaven (62 waren inzwischen gestorben) über Bord zu werfen. Für Sklaven, die aus welchen Gründen auch immer, während der Reise über Bord gehen, muss die Versicherung bezahlen. Dreißig Pfund Sterling pro Mann. Das Zong Massaker ist nicht nur Massenmord, es ist auch Versicherungsbetrug. Es wird in England einen Prozess geben, bei dem nichts herauskommt. Luke Collingwood, der während der ganzen Reise lang krank war und sein Kommando wohl kaum noch ausübte, war in Jamaica gestorben.

In Black River in Jamaica erinnert ein kleines ➱Denkmal an die überlebenden Schwarzen, die hier auf dem Sklavenmarkt verkauft wurden. Aber noch mehr erinnert dies ➱Bild von William Turner an das Ereignis. Es hat den Titel Slavers Throwing overboard the Dead and Dying—Typhon coming on. ➱John Ruskin, der das Bild kaufte, sagte über das Werk: If I were reduced to rest Turner’s immortality upon any single work, I should choose this. Turner hatte schon lange vor diesem Bild damit begonnen, ein langes Gedicht mit dem Titel The Fallacies of Hope zu schreiben, zu dem seine Bilder eine Art Illustration sein sollten. Und so gibt es auch zu dem Sklavenschiff ein Gedicht:

Aloft all hands, strike the top-masts and belay;
Yon angry setting sun and fierce-edged clouds
Declare the Typhon’s coming.
Before it sweeps your decks, throw overboard
The dead and dying – ne’er heed their chains
Hope, Hope, fallacious Hope!
Where is thy market now?

John Ruskin hat zu dem Bild eine emphatische ➱Ekphrase geliefert. William Thackeray stellte dem eine etwas zynischere Bildbeschreibung entgegen, die aber die Explosion der Farben auf Turners Bild sehr gut beschreibt: The slaver throwing its cargo overboard is the most tremendous piece of colour that ever was seen; it sets the corner of the room in which it hangs into flame…  Rocks of gamboge are marked down upon the canvas; flakes of white laid on with a trowel; bladders of vermilion madly spirited here and there. Yonder is the slaver rocking in the midst of a flashing foam of white-lead. The sun glares down upon a horrible sea of emerald and purple, into which chocolate-coloured slaves are plunged, and chains that will not sink; and round these are floundering such a race of fishes as never was seen since the saeculum Pyrrhae; gasping dolphins redder than the reddest herrings; horrid spreading polypi, like huge, slimy, poached eggs, in which hapless [black slaves] plunge and disappear. Ye gods, what a ‘middle passage’!

Turners Gedichte sind von den Kritikern nicht so recht ernst genommen worden. William Thackeray (ich muss ihn noch einmal zitieren) schrieb sehr ironisch: In a word, I say that Turner is a great and awful mystery to me. I don’t like to contemplate him too much, lest I should actually begin to believe in his poetry as well as his paintings, and fancy the „Fallacies of Hope“ to be one of the finest poems in the world.

Sir Kenneth Clark ist in seiner ➱Serie Civilisation: A Personal View gewohnt souverän und ein wenig nonchalant auf Turners Gedichte eingegangen: But participation in the sublime was almost as much of a strain as the pursuit of freedom. Nature is indifferent or, as we say, cruel. No great artist has ever observed these violent, hostile moods of nature as closely as Turner; and he was without hope – those are not my words, but the final judgement of Ruskin, who knew him and worshipped him.

Turner was a great admirer of Byron and used quotations from Byron’s poems in the titles of his pictures. But Childe Harold was not pessimistic enough for him, so he wrote a fragmentary poem to provide himself with titles. He called it ‚The Fallacies of Hope‘. Bad poetry, good pictures. One of the most famous of them represents an actual episode in the slave trade, another of the contemporary horrors that troubled the Romantic imagination: Turner called it ‚Slavers throwing overboard the dead and dying – typhoon coming on‘. For the last fifty years we have not been in the least interested in the horrible story, but only in the delicate aubergine of the negro’s leg and the pink fish surrounding it. But Turner meant us to take it seriously. ‚Hope, hope, fallacious hope,‘ he wrote, ‚where is thy market now?‘

John Ruskin wird das Bild, über das er sich so emphathisch ausgelassen hatte, eines Tages verkaufen. My dearest Charles, I have the registered letter, and will pack the ‚Slaver‘ forthwith. It is right that it should be in America, and I am well pleased in every way, and always – Your lovingest J. Ruskin, schreibt er an seinen Freund Charles Eliot Norton, der den Verkauf eingefädelt hatte. Der Kunstmäzen und Gründungspräsident des Metropolitan Museum John Taylor Johnston zahlt 2.100 Pfund Sterling für das Sklavenschiff.

Als er im Dezember 1876 seine Kunstsammlung versteigern lässt, kauft Miss Alice Hooper aus Boston (die auch diese Radierung besaß) den Turner. Sie war die Tochter des Politikers Samuel Hooper. Und war einmal mit Charles Sumner, einem entschiedenen Gegner der Sklaverei, verheiratet. Sie wird ihren Turner nur zwei Wochen behalten, dann schenkt sie ihn (wie so vieles andere, das sie auf der Johnston Auktion gekauft hat) dem neu gegründeten Museum of Fine Arts: I hope the Slave Ship may give as much pleasure to the public as it has borne in the few weeks I have had the pleasure of living with it, schreibt sie dem Direktor Charles Greely Loring. Es ist das erste Bild von Turner in einem amerikanischen Museum.

1792 verbot Dänemark (mit Wirkung vom 1. Januar 1803) als erste Nation den Sklavenhandel über den Atlantik (vorher hatte der ➱Graf Schimmelmann ja gut daran verdient). 1807 untersagte England den Sklavenhandel, die Royal Navy verfolgte das Schiff eines jeden Sklavenhändlers. Was dazu führte, dass noch mehr Sklaven über Bord geworfen wurden. Wenn man als Sklavenhändler ein Schiff der Royal Navy kommen sieht, dann trennt man sich lieber von seiner Fracht, ehe man aufgebracht wird und in ein englisches Gefängnis wandert. Hope, Hope, fallacious Hope! Where is thy market now?

Joseph Mallord William Turner wurde heute vor 240 Jahren geboren. Er taucht immer wieder in diesem Blog auf. Ich weiß nicht, was man empfehlen soll. Vielleicht: ➱J.M.W. Turner, ➱William Turner in Kiel und ➱Gordale Scar.

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Teckel & Corgwn

Die Fleischersgattin ➱Else Stratmann nennt sie ja liebevoll despektierlich nur Lisbeth. Unter dem Titel ➱Lisbeth gab es hier schon einmal einen Post über die englische Königin. Dieses schöne Portrait der Königin wurde 1953 kurz nach ihrer Krönung gemalt. Die Malerin Beatrice M. Johnson war eigentlich Photographin, sie hat damals auch das Photo von Dorothy Wilding koloriert, das das bekannteste ➱Photo von der jungen Königin wurde (und auch auf die Briefmarken wanderte). Doch dieses Bild, das dem Regimental Museum of the Argyll and Sutherland Highlanders gehört, ist schon erstaunlich in seiner Frische und Natürlichkeit. Eine Frische und Natürlichkeit, die viele ➱Bilder der Königin nicht besitzen.

Es ist sicher nicht so leicht, die Königin zu malen. Diese Bild von der kleinen Emma Dorington hat einmal einen Preis in der Gruppe der zwölf- bis achtzehnjährigen Amateurmaler gewonnen. Ist auch nicht schlechter als das Gemälde von ➱Lucien Freud. Wenn es schon nicht so leicht ist, die Königin zu malen, ist es offensichtlich auch nicht so leicht, ein gutes Gedicht auf die Königin zu schreiben. Dafür ist ja normalerweise der poet laureate zuständig, der sein Honorar in Rotwein bekommt. Neuerdings auch ein klein wenig Bargeld. Das honorarium beträgt zur Zeit £5,760 per annum.

Ich bleibe mit diesem Bild noch einmal bei den Amateurmalern. Dies Bild wurde von dem Amerikaner ➱Joseph Wallace King gemalt, der im Alter von elf Jahren einen Arm verlor. Normalerweise würde die Königin wohl eher in einer Barbour Jacke oder einer ➱Steppjacke in der Natur herumlaufen (auf jeden Fall tat das ➱Helen Mirren in The Queen), aber unser amerikanischer Maler setzt sie in einem Abendkleid in die Landschaft. Es bleibt die irritierende Frage: wie ist sie mit diesem Schuhen dahin gekommen? Und wo sind die corgwn?

So sehr ich ➱John Betjeman schätze, seine Gedichte auf offizielle Anlässe gehören nicht zu seinen besten Werken – Sie können mehr dazu in dem Post ➱St Paul’s Cathedral lesen. Dort findet sich auch ein kleines Gelegenheitsgedicht von Andrew Motion, adressiert an den damaligen poet laureate Ted Hughes, dessen Gedicht die Presse damals verrissen hatte. Das Gedicht hat den Titel Lines Composed by Her Majesty Queen Elizabeth In Sympathy With Her Poet Laureate:

My family are a trial to Ted Hughes:

No sooner do they marry than divorce

His burdens would be lighter if he chose

To write about a corgi or a horse.

Sie sehen hier, dass ich mich bemühe, etwas unbekanntere Portraits der Königin zu zeigen. Hier malt gerade die Nigerianerin ➱Chinwe Chukwuogo-Roy. Ted Hughes ist unter den poet laureates ein kleines Problem. Er reizte die ➱Redaktion der Satirezeitschrift Private Eye immer zu Satiren, die häufig besser waren als seine Gedichte. Der immer scharfsinnige Robert Nye (der selbst Dichter ist) schrieb nach der Veröffentlichung von Rain-charm for the Duchy: And Other Laureate Poems, in dem auch das beinahe 20-seitige Gedicht auf die Taufe von Prince Harry enthalten ist: John Betjeman’s old suit hardly fits a dour Yorkshireman with ambitions to be a sort of royal witch doctor. Only one of those Laureate effusions is included here, the one for HRH Prince Harry, which has some decent lines about salmon responding to a storm. Das muss man Hughes lassen, bei der Beschreibung von Sturm und Regen ist er richtig gut:

Thunder gripped and picked up the city.

Rain didn’t so much fall as collapse

The pavements danced, like cinders in a riddle. 

What a weight of warm Atlantic water! 

The car-top hammered. The Cathedral jumped in and out 

Of a heaven that had obviously caught fire 

And couldn’t be contained. 

I was thinking Of joyful sobbing 

The throb 

In the rock-face mosses of the Chains 

And of the exultant larvae in the Barle’s shrunk trench, their filaments ablur 

like propellors, under the churned ceiling of light

The pavements danced, like cinders in a riddle

Die Queen hat heute Geburtstag, natürlich gratulieren wir von dieser Stelle aus. Und natürlich haben wir für den Tag auch ein Gedicht. Und was für eins. Es wurde nämlich von einer richtigen Königin geschrieben. Nicht von Margrethe von Dänemark (der wir nachträglich zum Geburtstag gratulieren), dort im Schloss in Kopenhagen dichtet nur der Ehemann. Der schreibt nämlich Gedichte über seine Dackeldame Evita, die so klingen: Ich liebe es, Dein Fell zu streicheln. Du lieber, du besonderer Hund. Einen Klaps willst du gerne haben. Stolz wie ein Papst empfängst du Schelte wie eine Gnade. Vor hundert Jahren haben die Engländer trotz ihrer angeblichen Tierliebe auf der Straße Dackel getreten, nur weil das deutsche Hunde waren (lesen Sie mehr dazu in dem Post ➱Lodenmäntel).

Das Gedicht A mon Teckel klingt natürlich im Französischen eindrucksvoller: J’aime caresser ton poil, toi mon cher chien spécial. Tu aimes les papouilles. Fier comme un pape, tu reçois les réprimandes comme une grâce. Ob Elizabeth über ihre corgwun schreibt (die auf diesem Cartoon von Carl Giles gerade über die Palastwache herfallen – was übrigens die royale dänische Dackelhündin auch getan hat), wissen wir nicht. Dass sie Bücher liest, das wissen wir inzwischen dank ➱Alan Bennetts Buch The Uncommon Reader. In dem natürlich auch corgwn vorkommen.

Das Gedicht des heutigen Tages heißt On Monsieur’s Departure, es wurde von der Königin Elizabeth I von England geschrieben

I grieve and dare not show my discontent,

I love and yet am forced to seem to hate,

I do, yet dare not say I ever meant,

I seem stark mute but inwardly do prate.

I am and not, I freeze and yet am burned,

Since from myself another self I turned.


My care is like my shadow in the sun,

Follows me flying, flies when I pursue it,

Stands and lies by me, doth what I have done.

His too familiar care doth make me rue it.

No means I find to rid him from my breast,

Till by the end of things it be supprest.


Some gentler passion slide into my mind,

For I am soft and made of melting snow;

Or be more cruel, love, and so be kind.

Let me or float or sink, be high or low.

Or let me live with some more sweet content,

Or die and so forget what love ere meant.

 
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Neo Rauch

Sportler zu malen, scheint die Maler nicht wirklich zu interessieren. Wir haben zum Ende des 19. Jahrhunderts zwar einige Bilder vom ➱Rudern, ➱Bogenschießen oder vom ➱Cricket, aber kaum welche vom Fußball. Und man muss bis zum 20. Jahrhundert warten, bis George Bellows Dempsey und Firpo malt. Interessant sind bei ➱Bellows die Körper, die ein wenig von den kunstvoll verdrehten Körpern von El Greco haben. Und auch ein wenig von der figurativen Malerei von Neo Rauch.

Aber der Fußball ist in der Malerei unterrepräsentiert, da ist man schon für ein solches Bild dankbar. So müssen Torwarte bei einer Robinsonade aussehen. Die Robinsonade ist nach John William „Jack“ Robinson benannt, dem ersten Torwart, der im Fluge alle Torecken erreichte. Vorher stellte man die Dicken ins Tor, die kaum laufen konnten. Torwarte waren meine Helden, als ich noch ➱Straßenfußballer war, und es gibt in den Posts ➱Goalies, ➱Bert Trautmann, ➱Hannover 96 und ➱Albert Camus eine Menge über Torwarte zu lesen.

Das Bild oben, das über drei Meter breit ist, ist natürlich von Alexander Deineka, es kam hier im Blog schon einmal vor, weil der Meister der sozialistischen Realismus ➱hier einen Post hat. In dem Post werden leider (ebenso wie in den Posts ➱Sir John Henry von Schroder und ➱Albert Pinkham Ryder) auch etwas abfällige Bemerkungen über Neo Rauch gemacht. Der feiert heute seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag, da will ich nichts Böses über ihn sagen. Nur, dass Alexander Deineka viel besser ist als er. Dieser Torwart von Victor Ivanov aus den fünfziger Jahren, zeigt, dass die Verherrlichung der Welt des Sports aus den dreißiger Jahren, die wir überall bei Deineka finden, für die sowjetische Malerei immer noch ein Thema ist.

Im Katalog der Hamburger Kunsthalle zu der Ausstellung Müde Helden, die Ferdinand Hodler, Alexander Deineka und Neo Rauch gewidmet war, äußert sich Neo Rauch (der hier sein Wespenstich Trauma verarbeitet – oder die Kritiker abwehrt) zu seinen potentiellen Vorbildern: Ich stoße in diesem Fächer, der hier vor mir aufgeschlagen wird, auf eine ganze Reihe von Arbeiten, die ich nie zuvor gesehen habe, und bin bass erstaunt, dass manches von all dem mir bislang unbekannt Gewesenen in meiner Arbeit eine Art Widerschein darstellt. Das klingt jetzt ein wenig so, als ob der Freiherr von und zu ➱Guttenberg über seine Doktorarbeit redet.

Neo Rauch drückt sich immer sehr gewunden aus. Auf die Frage Hat El Greco für Sie schon lange eine besondere Rolle gespielt? sagte er in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen: Nein, eigentlich nicht. Er stand immer im zweiten Glied der mich beeinflussenden Malerpersönlichkeiten, vielleicht sogar eher im dritten. Aber das ändert sich ja. Die Reihenfolge der Einflusslinien verschiebt sich, mäandernd mitunter, und je nachdem wie nahe ich mich selbst an die Persönlichkeit, an das Werk heranbewege, zeigt sich dann, ob die Anziehungskraft ungebrochen ist oder ob sie sich gar völlig unerwartet kraftvoll entfaltet. Und so ist es mir jetzt mit El Greco gegangen. 

Das Köstlichste dazu sind allerdings die Leserkommentare. Wie zum Beispiel: Das bedeutungsschwangere Geschwätz eines Geniekapitalisten. Groß und wichtig baut er aus zusammengeklauten Ikonographien die Fallen für die Kunsthistoriker, die in diesem Brei aus Geschmacksverstärkern immer das zu finden glauben, was über ihr Wissen und ihre Erfahrung hinauszugehen scheint, ihre Teilhabe an dem vermeintlich Großen durch reinen Glauben, der sich als Bewunderung, ausgedrückt als gebildete Kennerschaft, Bahn schafft. Der Kaiser ist ja nackt!

Die großformatigen Bilder von Neo Rauch sind sicherlich leicht zu kopieren (man kann, wie das ein gewisser Christian Holtmann tut, sogar Neo Rauch kopieren). Ein Wolfgang Beltracchi könnte bestimmt ein halbes Dutzend Rauchs in der Woche malen, wenn er wollte. Einen echten falschen ➱Odd Nerdrum zu malen, ist schon etwas schwieriger. Dies hier ist kein Neo Rauch, ist aber auch keine Fälschung. Es ist ein Bild von Rosa Loy, die die Ehefrau von Neo Rauch ist.

Dies Bild von Neo Rauch aus der Kieler Kunsthalle begegnet mir immer wieder, weil die Kunsthalle es auf ihre länglichen Eintrittskarten gedruckt hat, die man prima als Lesezeichen nehmen kann. Ich habe eine ganze Menge davon. Und so taucht es immer wieder an ganz unvermuteten Stellen in Büchern auf. Auf der Seite der Museen Nord findet man eine Interpretation (mit vielen Fragezeichen im Text) von einer Marta Wrage, die auch ständig Führungen in der Kunsthalle anbietet. So etwas vermeide ich. Solche Interpretationen auch. Ich vermeide auch Neo Rauch, obgleich er als Lesezeichen ganz nützlich ist. Leider haben die kein Bild von Alexander Deineka in der Kunsthalle.

Also dies zum Beispiel. Das hätte ich viel lieber auf den Eintrittskarten als das Bild von dem Mann im Moor von Neo Rauch. Der Mann ist ein Produkt der Postmoderne, an dem sich die Geister scheiden. Werner Spies hat vor fünf Jahren lobhudelnde Dinge über ihn gesagt, aber sein Ruf ist nach dem letzten Kunstfälscherskandal arg beschädigt. Ich habe schon vor Jahren die Bücher des Meisters des Kunstgeschwafels in die zweite Reihe gestellt. Da hatte ich gerade seine Laudatio auf Anselm Kiefer zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels im Jahre 2008 im Fernsehen gesehen.

Es geht bei dieser ganzen farbigen Bemalung von sehr großen Leinwänden auch um viel Geld. Für die Summen, die man für einen Neo Rauch auf den Tisch legen muss, kann man schon schöne englische Landschaften aus dem 18. Jahrhundert bekommen. Das wäre mir lieber. Und ich begnüge mich auch gerne mit dem, was ich auf Flohmärkten und bei meinem geliebten Hinterhofhöker finde. Wie diese kolorierte Zeichnung einer jungen rothaarigen Dame in grünem Kleid. ➱Damenmode der frühen fünfziger Jahre, Ballerinas an den Füßen wie ➱Audrey Hepburn. Der Zeichner könnte für eine Illustrierte gearbeitet haben. Es ist nicht Hildegarde van Gülick, aber doch mit professionellem Strich gezeichnet. Ich habe Glas und Rahmen grob gesäubert und bin damit zu Frau Petrich bei mir um die Ecke. Anja Petrich (Bild) hat ein Geschäft, das Bild und Rahmen heißt, und sie ist eine Meisterin im Rahmen von Bildern. Der Rahmen wird neu verleimt, und meine rothaarige Schönheit aus den fifties bekommt ein neues Passepartout. Und ist dann viel schöner als jeder Neo Rauch. Und billiger.

Ich bin nicht der einzige, der an dem großen Künstler mit den großen Bildern herumkrittelt (schauen Sie doch einmal in diesen ➱Blog), der inzwischen zu den Großverdiener des Kunstbetriebs zählt und so viel verdient wie Bundesligaspieler. Oder Trainer. Neo Rauch ist inzwischen in der Champions League der Millionäre angekommen, da wo Gerhard Richter, Damien Hirst (das ist der mit den Kühen in Formalin, er wurde schon in dem Post ➱Louis Vuitton erwähnt) und Anselm Kiefer sind. Es lohnt vielleicht nicht, Bilder von Neo Rauch als Spekulationsobjekt zu kaufen. Diese Sorte Kunst ist eine gefährliche Sache. Also zum Beispiel Jack Vettriano, der ja auch so ähnliche Bilder malt. Sein Singing Butler, den wir alle als ➱Postkarte haben, wurde vor Jahren für 744.000 Pfund Sterling verkauft. Heute sind die Jack Vettriano Preise im Keller.

Doch noch ist Rauch gut im Geschäft. Wäre es nicht langsam Zeit für einen ➱Rolls Royce? Bernard Buffet, der auch so figurativ wie Neo Rauch malte, hatte auch einen. Dem Meister der Leipziger Schule scheint diese Frage schon häufiger gestellt worden zu sein: Ich kann Ihnen versichern: Hier in Leipzig haut keiner auf die Kacke. Hier jedenfalls fährt keiner Rolls-Royce. Es gibt eben Autos, die nicht nach Leipzig passen, und das nicht nur der Schlaglöcher wegen. Die Leute, die ich kenne und schätze, die sind enorm fleißig und haben keine Zeit, extravaganten Neigungen nachzugehen. Wenn man so viel verdient wie Jürgen Klopp, Thomas Tuchel, Lionel Messi und Wayne Rooney, dann können einem die Kritiker mit ihren Dackelbissen eh egal sein. Manche aus dem Kunstgeschäft haben die Zeichen der Zeit erkannt. Der bekannte Berliner Galerist Ben Kaufmann hat seine Galerie geschlossen, um eine Ausbildung zum professionellen Fußballtrainer zu machen.

Wenn der Schüler des Vorzeigemalers der DDR Bernhard Heisig (der mit Rauchs Bildern nichts anfangen konnte) sagt: Ich sehe mich Anwürfen und Dackelbissen ausgesetzt, dann sollte er bedenken, dass das Beschimpfen von Künstlern nichts Neues ist. Am besten sind darin andere Kollegen, wie zum Beispiel Joseph Beuys: Und ich habe etwas bei den Müllabfuhrleuten gesehen, was ich bei den Scheißkünstlern vermisse, denn die Künstler sind zum großen Teil opportunistisch, sie sind Arschlöcher, das muss ich jetzt auch mal sagen. Die Künstler sind die reaktionärste Klasse. Eigentlich gibt es ja keine Klasse mehr, aber die Künstler sind so reaktionär, dass sie schon fast wieder eine neue Klasse bilden. Ich habe das Zitat aus dem wunderbaren Band Künstler beschimpfen Künstler, der 1997 im Heimatort von Neo Rauch erschienen ist.

Fußballspieler sind, wie schon gesagt, leider selten ein Gegenstand der Kunst, da muss man für Alexander Deinekas bildliche Verherrlichung von Sportlern in den dreißiger Jahren schon dankbar sein. Fußballspieler scheinen auch keine Kunst zu kaufen, obgleich sie sich leicht einen Neo Rauch leisten könnten. Fußballspieler kaufen sich eher einen Jaguar E Type wie ➱Georgie Best oder einen Aston Martin wie Marco Reuss. Mirko Slomka, vor einem Jahr noch Trainer beim HSV, hätte sein Geld vielleicht besser in einen Neo Rauch oder solch einen hübschen Fußballspieler von Renée Sintenis angelegt, statt es diesem Maschmeyer zu geben.

Das bringt mich wieder zurück zum Anfang, zum Fußball, zu Torwarten, die heute nicht mehr Theodor heißen. Aber auch ganz schön verdienen können. Dieses Bild ist nicht von Neo Rauch, Victor Ivanov oder Alexander Deineka, das ist von dem Engländer ➱Cecil Beaton. Der wahrscheinlich noch berühmt ist, wenn man Neo Rauch vergessen hat.

Viele Fußballspieler werden ebenso vergessen wie viele Maler. Aber an manche wird man sicher immer noch erinnern. Ich habe Pico Schütz (auf dem Photo rechts neben ➱Uwe Seeler), der vor wenigen Tagen starb, noch spielen sehen. Er gehört zu den Spielern von ➱Werder Bremen, die man wie ➱Dragomir Ilic, Horst Höttges oder Sense Ackerschott nie vergisst.

In Österreich hat man ➱Mathias Sindelar aus dem Wiener Arbeiterstadtteil Favoriten, den Kapitän des legendären Wunderteams, nicht vergessen. Hier ist das österreichische Nationalteam von Paul Meissner gemalt, das Bild von 1948 zeigt die Mannschaft und ihren Trainer Hugo Meisl beim Einlauf in das Stamford Bridge Stadion im Jahre 1932. In der Pause lagen die Österreicher mit 0:2 zurück, danach hat Meisl (korrekt in Anzug, Mantel und Hut) seine Spieler mit den Worten Spüts euer Spüü! zurück auf den Rasen geschickt. Die Engländer gewannen das Freundschaftsspiel mit 4:3, und die Times feierte Sindelar als einen der besten Spieler der Welt.

Wenn die Maler die Fußballhelden schon nicht malen, die Dichter besingen sie, wie man dem Post ➱Fußballpoesie entnehmen kann. Der österreichische Friedrich Torberg hat Mathias Sindelar mit dem Gedicht Auf den Tod eines Fußballspielers ein kleines Denkmal gesetzt:

Er war ein Kind aus Favoriten

und hieß Mathias Sindelar.

Er stand auf grünem Plan inmitten,

weil er ein Mittelstürmer war.

Er spielte Fußball, und er wußte

vom Leben außerdem nicht viel.

Er lebte, weil er leben mußte,

vom Fußballspiel fürs Fußballspiel.

Er spielte Fußball wie kein zweiter,

er stak voll Witz und Phantasie.

Er spielte lässig, leicht und heiter.

Er spielte stets. Er kämpfte nie.

Er warf den blonden Schopf zur Seite,

ließ seinen Herrgott gütig sein,

und stürmte durch die grüne Weite

und manchmal bis ins Tor hinein.

Es jubelte die Hohe Warte,

der Prater und das Stadion,

wenn er den Gegner lächelnd narrte

und zog ihm flinken Laufs davon –

bis eines Tags ein andrer Gegner

ihm jählings in die Quere trat,

ein fremd und furchtbar überlegner,

vor dem’s nicht Regel gab noch Rat.

Von einem einzigen, harten Tritte

fand sich der Spieler Sindelar

verstoßen aus des Planes Mitte,

weil das die neue Ordnung war.

Ein Weilchen stand er noch daneben,

bevor er abging und nachhaus.

Im Fußballspiel, ganz wie im Leben,

war’s mit der Wiener Schule aus.

Er war gewohnt zu kombinieren,

und kombinierte manchen Tag.

Sein Überblick ließ ihn erspüren,

daß seine Chance im Gashahn lag.

Das Tor, durch das er dann geschritten,

lag stumm und dunkel ganz und gar.

Er war ein Kind aus Favoriten

und hieß Mathias Sindelar.


Morgen ist ein Schicksalstag für Uwe Seelers alten Verein. Wird es dem neuen Trainer Bruno Labbadia gelingen, eine Mannschaft aufzustellen, die Werder Bremen schlägt? Oder wird der HSV in der nächsten Saison mit Holstein Kiel in einer Liga sein?

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